Grußwort zur Kundgebung der yesidischen Gemeinde OHZ am 25.10.2014

Ein Grußwort von Waltraud Mettert:

Sehr geehrte yesidische Gemeinde Osterholz, lieber Mizgin, sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Kundgebung!

Mein Name ist Waltraud Mettert, ich bin Mitglied des SprecherInnenrates der LINKEN im Kreis Osterholz. Für die Einladung von Mizgin, heute für Die Linke ein Grußwort an Sie und euch zu richten, bedanke ich mich sehr herzlich. - Unser Bundestagsabgeordneter Herbert Behrens kann heute leider nicht teilnehmen, da er zu politischen Gesprächen in den USA ist.

Bei aller begründeten Kritik, die wir an der herrschenden Politik in unserem Land üben, leben wir hier doch momentan in einer weitgehenden Sicherheit. Wir haben uns während der vielen Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg an diese Sicherheit gewöhnt. Wir müssen uns hier nicht vor der brutalen Gewalt unmenschlicher Angriffe hochgerüsteter Söldnerheere fürchten.

Auch daher ist hier für viele das große Leid, dem die kurdische Minderheit v.a. in den nördli-chen Gebieten des Irak und Syriens seit Monaten ausgesetzt ist, fast unvorstellbar und verstörend. Doch es ist die schreckliche Realität, vor der niemand die Augen verschließen darf. - Wir müssen begreifen und aussprechen:

Yesidinnen und Yesiden, sowie andere kurdische Minderheiten, werden von den Kämpfern des sogenannten „Islamischen Staats“ aus ihrer Heimat gnadenlos vertrieben. Kinder werden ermordet, Männer vor den Augen ihrer Familien durch Enthauptung getötet, Mädchen und Frauen vergewaltigt, erniedrigt, versklavt und verkauft. Dies ist ein Drama, das sich nicht im Mittelalter ereignet hat, sondern jetzt stattfindet, in unserer modernen Welt des 21. Jahrhunderts.

Als mitfühlender Mensch denkt man vielleicht spontan, dort muss man sofort Soldaten hin-schicken, um den Völkermord zu beenden. Aber - so einfach sieht die Lösung leider nicht aus.

Das Drama, das das kurdische Volk heute erleidet, der Genozid, der sie bedroht, hat viele unterschiedliche Ursachen. Ihr Yesidinnen und Yesiden, die ihr heute hier steht, wisst das.

In Deutschland war bis vor kurzem jedoch wenig bekannt, dass das kurdische Volk durch will-kürliche Grenzziehungen von Großmächten, auch im letzten Jahrhundert, in mehrere Teile zerrissen wurde. - Hier wissen wenige um die Gründe, aus denen Yesidinnen und Yesiden zum Beispiel nach Deutschland geflohen sind und inzwischen unsere Nachbarn, Freundinnen und Freunde, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind. – Es waren die Unterdrückung und die Verfolgung durch Regierungen in Syrien, im Irak und in der Türkei, die Sie, die euch aus eurer Heimat vertrieben haben.

Die Machthaber dieser Staaten haben die kurdischen Minderheiten als Störfaktoren ihrer persönlichen Interessen und Großmachtpolitik betrachtet, insbesondere die religiösen Minderheiten wie Yesiden. 2 Die USA und andere Westmächte haben in den vergangenen Jahrzehnten durch ihre geheim-dienstlichen Manipulationen und die offenen Kriege um Rohstoffe, die sie in die Region getragen haben, die Situation weiter enorm verschlechtert. Sie haben damit eine totale Destabilisierung der Staaten des Nahen und Mittleren Ostens herbeigeführt. - Das alles bildete den Nährboden für den heutigen IS. Mit türkischer und arabischer Unterstützung wurde IS stark gemacht und ausgebildet. Mit Geld aus zahlreichen Banküberfällen und dem Verkauf von erbeutetem Öl an viele Staaten wurde IS zur weltweit stärksten terroristischen Organisation und konnte sich auf dem globalen Waffenmarkt bedienen. Mit seinem Geld lockt der IS bis heute Kämpfer aus vielen Staaten: dem Irak, Syrien, der Türkei, Tschetschenien, Großbritannien, aus nordafrikanischen Staaten ebenso wie aus Deutschland und weiteren Ländern.

Diese lebensbedrohende Lage für das kurdische Volk ist also äußerst kompliziert. Als Linke wenden wir uns deswegen gegen das Propagieren einfacher Lösungen. Diese sogenannten Lösungen, zum Beispiel die Entsendung externer Bodentruppen, bieten keine Zukunftsper-spektive für ein Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Region.

Wir sind jedoch solidarisch mit allen kurdischen Kämpferinnen und Kämpfern, die ihr Menschenrecht auf Selbstverteidigung wahrnehmen. Ihnen gilt unsere Achtung! Für sie und zu ihrer Unterstützung muss die Türkei die Grenzen öffnen, auch für die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak. Wir sind solidarisch mit den kurdischen Flüchtlingen des Kriegsgebietes und fordern unsere Bundesregierung vehement dazu auf, die humanitäre Hilfe schnell, entschieden und wirksam zu erhöhen und die Verteilung der Hilfsgüter zu verbessern.

UND: Wir haben eine Bitte an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger: öffnet eure Herzen und verschließt sie nicht vor dem Leid der Flüchtlinge! Lassen wir uns nicht verunsichern durch die Parolen von Politikern, die sich auf sogenannte deutsche Interessen berufen. Diese Parolen sind Stimmen aus der Vergangenheit und nicht würdig, heute Berücksichtigung zu finden. Wir wollen Flüchtlinge mit helfenden Händen empfangen.

Wir alle sind Menschen. Unsere Menschlichkeit können wir jedoch nur dann aufrichtig leben, wenn wir einander helfen.

Wir Linke unterstützen die Forderung der Yesidinnen und Yesiden nach der schnellen Einrichtung einer internationalen Schutzzone in den Kriegsgebieten, in der alle geflüchteten KurdInnen und Kurden sicher sind und ihre kulturelle Identität bewahren können.

Katja Kipping, unsere Bundesvorsitzende, fasste es vor einer Woche beim Landesparteitag der Linken in Bremen sinngemäß in folgende Worte: Wir machen uns stark für alle nicht-militärischen Lösungen. Wir fordern eine massive Ausweitung der Humanitären Hilfe. Wir wenden uns entschieden gegen den Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft und fordern die Aufhebung des PKK-Verbots.

In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.